NaturFreunde Newsletter | Corona – Vorsicht und Rücksichtnahme bleiben unverzichtbar - Datum: 06.10.20
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Liebe NaturFreund*innen, liebe Genossinnen und Genossen!
Zuerst sprechen wir im Namen des Bundesvorstands und der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bundesgeschäftsstelle Euch allen, die Ihr euch in den letzten Wochen und Monaten so vorbildlich und eindrucksvoll für unseren Verband eingesetzt habt, unseren großen Dank aus. Das ist gelebte Solidarität!
Leider müssen wir davon ausgehen, dass wir noch eine längere Zeit mit den Gefahren, dem Druck und den Zwängen der Pandemie umgehen müssen. Wahrscheinlich steht uns ein schwieriger Winter bevor. Wir hoffen, dass Ihr und Eure Angehörigen gesund bleibt. Alles Gute.
Es ist schwierig, bei der globalen Herausforderung der Corona-Pandemie eine Prognose zu stellen. Nach Schätzungen der Charité werden erste Impfstoffe Anfang 2021 freigegeben werden, die danach im Laufe des Jahres nach festgesetzten Prioritäten Zug um Zug ausgeliefert und verteilt werden. Dabei ist die Frage, nach welchen Kriterien das erfolgt. Wir müssen wachsam sein, damit das Verfahren nicht zu Lasten ärmerer Schichten und Regionen geht. Während die Impfungen beginnen, werden viele noch Masken tragen müssen.
Wir stehen vor der großen Aufgabe, zu einem erfolgreichen Neustart der NaturFreunde zu kommen. Dazu soll unser Bundeskongress beitragen, der vom 16. bis 18. April 2021 in Berlin stattfinden wird. Wir wollen dort beraten, wie die Zahl unserer Mitglieder in den nächsten Jahren wieder auf mehr als 100.000 ansteigen kann. Das wird im Zentrum stehen, denn es ist eine zentrale Frage unserer Zukunft. Jeder von uns ist gefordert, damit wir dieses Ziel erreichen können.
Zudem werden wir uns als erster Verband mit den Herausforderungen der neuen Erdepoche, dem sogenannten Anthropozän oder der Menschenzeit, auseinandersetzen. Der Bundeskongress soll ein Signal für einen neuen Aufbruch setzen.
Die Pandemie ist noch nicht vorbei
In den letzten Wochen haben sich die Infektionszahlen bei COVID-19 wieder deutlich erhöht. Auch in unserem Land. Nach den Erhebungen der Johns Hopkins Universität gibt es derzeit weltweit 32 Millionen bestätigte Infektionen und rund eine Million Tote. Das ist alarmierend. Manche sprechen von einer „zweiten Welle“, obwohl die erste eigentlich nie weg war. Freilich differieren die Fallzahlen von Region zu Region, von Stadt zu Stadt, ja sogar von Stadtteil zu Stadtteil.
Das macht den Umgang mit dem Virus sehr schwierig, belegt aber auch, dass Corona kein Fake ist. Zumal wir immer noch viel zu wenig über das Virus wissen, zum Beispiel wie es sich in ländlichen Gebieten ausbreitet. Von Anfang an war COVID-19 ein Lernprozess, auch weil die Warnungen vor dem Virus, die schon früher in medizinischen Fachzeitschriften zu lesen waren, ignoriert wurden.
Und die schweren Erkrankungen durch den SARS-Coronavirus (2003) und MERS (2007), die im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts mit einer sogar deutlich höheren Sterblichkeitsrate als COVID-19 verbunden waren, wurden meist damit abgetan, dass das Krankheitsgeschehen weit weg war und nur eine begrenzte Zeit auftrat.
Auch wenn in den letzten Monaten viel über die Infektion gelernt wurde, so bleibt der Umgang damit zumindest noch längere Zeit mit viel Nichtwissen verbunden, obwohl dennoch gehandelt werden muss. Feste, Feiern, größere Veranstaltungen und das Nachtleben gelten als besondere Gefahrenpunkte für Ansteckungen.
Mit den zunehmenden Neuinfektionen (Spitzenreiter sind Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg) steigt auch die sogenannte Reproduktionszahl, in München wurden bereits Maskenpflicht und verschärfte Regeln für private Treffen angeordnet. Dennoch bleibt die Zahl der Intensivpatient*innen und der täglich bestätigten Todesfälle auf einem vergleichsweise geringen Niveau.
Unser Land hatte den Vorteil, dass die Epidemie etwas später als in anderen Ländern ausbrach, von den zuständigen Stellen schnell reagiert wurde und Labortests möglich waren. Dennoch: Die Corona-Pandemie ist ein tiefer Einschnitt. Und sie ist auch ein Warnschuss, andere globale Gefahren ernster zu nehmen, damit der Widerspruch zwischen Wissen und Handeln nicht noch größer wird – zum Beispiel bei der anthropogenen Erderwärmung.
Weltweit wieder steigende Infektionszahlen
Fest steht: Es wird nicht mehr so, wie es war, und so wie es war, darf es auch nicht mehr werden. Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass die Gesundheitsämter in den nächsten Monaten wieder schärfere Maßnahmen ergreifen müssen. Die Entwicklung in Spanien, Frankreich und Großbritannien ist besorgniserregend.
In einigen Ländern steigen die Infektionszahlen erschreckend an. In den USA werden mit rund sieben Millionen bestätigten Fällen und 200.000 Toten die höchsten Infektionszahlen verzeichnet. Dennoch ist der Umgang von US-Präsident Donald Trump mit der amerikanischen Bevölkerung zynisch. Ihm waren die COVID-Gefahren frühzeitig bekannt. In internen Gesprächen teilte er die Warnungen sogar, aber in der Öffentlichkeit – nicht zuletzt aus Wahlkampfgründen – tat er dennoch so, als hätten die Amerikaner es nur mit einer „Grippe“ zu tun.
Die erschütternden Berichte über Corona-Erkrankte, die wochenlang um ihr Leben kämpften und die noch lange brauchen werden, um wieder zu einem erträglichen Gesundheitszustand zu kommen, lassen sich wahrlich nicht als Grippe abtun. Menschen rangen um ihr Leben und werden noch lange schwer geschädigt bleiben.
Vorsicht und Rücksichtnahme bleiben unverzichtbar
Natürlich war bei vielen Infizierten der Verlauf der Krankheit relativ harmlos. Aber sie waren infiziert und konnten die Viren auf andere Personen übertragen, die weniger robust und widerstandsfähig sind. Gerade bei jungen Menschen wird derzeit ein starker Anstieg der Fallzahlen registriert.
Entscheidend bei COVID-19 ist das Entstehen und die Ausbreitung von Infektionsketten, die deshalb schnell und systematisch gestoppt werden müssen. Vorsicht und Rücksichtnahme bleiben geboten, vor allem im beginnenden Herbst, wenn es verstärkt zu Grippe- und Erkältungskrankheiten kommen wird.
Das alles heißt aber nicht, die Entwicklung und das politische Krisenmanagement unkritisch zu verfolgen und sich dem Schicksal zu ergeben. Wir haben nicht vergessen, dass der Bundesgesundheitsminister am Anfang der Pandemie eine Mund-Nasen-Bedeckung als überflüssig abgetan hat. Der Grund lag wahrscheinlich darin, dass trotz der Warnung einzelner Expert*innen auch das Gesundheitsministerium nicht auf eine derartige Infektionslage vorbereitet war. Die erforderlichen Masken waren einfach nicht da. Jetzt werden wir die Masken so schnell nicht mehr los.
Auch die anfänglich geäußerte These von der „Durchseuchung der Bevölkerung“, um ein hohes Maß an Antikörpern für eine breite Immunität zu produzieren, ist ethisch und gesundheitspolitisch in einem dicht besiedelten Land mit einem relativ hohen Altersdurchschnitt fragwürdig. Glücklicherweise wird sie nicht mehr vertreten.
Weiter bleiben aber die sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen der Krise wie Existenzsorgen, die Angst vor Arbeitslosigkeit oder Lohndumping. Soziale Schieflagen wurden größer. Und es gibt miese Spekulant*innen, die mit der Krise schnelle Profite machen. Mit der Pandemie ist auch eine Zunahme wirtschaftlicher Machtkonzentration verbunden – zum Beispiel der elektronischen Versanddienste, die geradezu explodierten, während den kleinen Läden die Luft wegblieb. Zahlreiche Unternehmungen hatten Pleiten zu verzeichnen.
Nicht zuletzt gibt es einige Presseorgane, die mit dubiosen oder verharmlosenden Berichten eine fragwürdige und trügerische Stimmung verbreiten. Die gebotene Aufklärung bleibt auf der Strecke.
Situation der Naturfreundehäuser
Die Corona-Pandemie und die zu ihrer Bekämpfung ergriffenen behördlichen Maßnahmen treffen die Naturfreundehäuser unseres Verbands hart. Klassenfahrten können nicht mehr stattfinden und die Zahl der Gäste in den Häusern muss reduziert werden. Für viele Häuser geht es um die Existenz. Die Bundesregierung hat für gemeinnützige Unterkünfte das Zukunftsprogramm Jugend 2020 aufgelegt. Den Geschäftsstellen von Naturfreundejugend und NaturFreunden ist es mit hohem persönlichem Einsatz gelungen, in extrem kurzer Zeit vielen Naturfreundehäusern Zugang zu dieser Förderung zu verschaffen. Das verschafft ihnen jedoch nur eine Atempause. Deshalb bleibt es bei unserem Appell an die Leser*innen dieses Newsletters: Unterstützt eure Naturfreundehäuser, wie ihr könnt. Besucht diejenigen Häuser, die bereits wieder öffnen konnten, und denkt über eine Spende für euer Haus nach!
Wir sind selbst betroffen
Der Betrieb der Geschäftsstelle ist derzeit geprägt von notwendigen Hygiene-Maßnahmen und Arbeit im Home-Office. Unsere telefonische Erreichbarkeit ist dadurch leider eingeschränkt und es kann sein, dass wir auf Eure Anliegen nicht ganz so schnell reagieren können wie sonst. Dafür bitten wir um Euer Verständnis.
Bleiben wir demokratisch
Auch in der Corona-Pandemie setzen wir weiter auf den demokratischen Diskurs und auf transparente und nachvollziehbare Entscheidungen. Dazu zählt natürlich auch das Demonstrationsrecht, wenn die Regeln eingehalten werden. Die rechtsstaatliche Aufarbeitung der Maßnahmen muss solide und fair sein. Wir wollen, dass alle relevanten Beteiligten wie auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden, denn es geht auch darum, zu lernen und künftig besser vorbereitet zu sein.
Der wichtigste Ort ist dabei das Parlament. Die Abgeordneten müssen den Diskurs mit ihren Wähler*innen führen und dürfen sich nicht von der Regierung an den Rand drängen lassen. Zentral ist das Wechselverhältnis zwischen Individualinteressen und dem Gemeinwohl. Die NaturFreunde werden auf ihrem Bundeskongress einen Beitrag zur Aufarbeitung leisten.
Wir verbleiben mit solidarischen Grüßen und einem herzlichen „Berg frei“!
Michael Müller
Bundesvorsitzender
Maritta Strasser
Bundesgeschäftsführerin